Code-Name: Echo Nest!

Es ist das Superhirn des Streaming-Giganten und verspricht die „perfekte“ Playlist für fast 300 Millionen Nutzer. Wir wiegen Vorteile und Risiko gegeneinander ab.

Immer wieder sonntags… Wären Cindy & Bert noch vereint, das Schlager-Duo hätte allen Grund, seinen Klassiker umzutexten. Heißt es anno 2021 für zig Millionen Menschen doch: Immer wieder montags kommt die neue Playlist – Dubdidubdidubdub dub! Auf dem Weg ins Büro gehört die „Discover Weekly“ ebenso dazu wie der Coffee-to-go. Ein Blick auf das „Release Radar“ vom letzten Freitag zeigt, zu welchen potenziellen Hits wir bald im Club dancen können.

Dass keine dieser beiden Spotify-Playlists von Menschenhand zusammengestellt wird, mag den meisten schon bekannt sein. Zugegeben: Bei fast 300 Mio. Usern auch kaum anders lösbar. Auf was wollen wir also hinaus? Den Spotify-Algorithmus und die Frage, wie er arbeitet und ob er euch (unbewusst) in eine Geschmacksspirale gedrängt hat.

Wenn MIT-Freaks die Musik-Welt verändern

Plump gesagt, macht der Streaming-Gigant aus Stockholm erst einmal nichts anderes, als er in seinem Namen verspricht. Spotify setzt sich aus „to spot“ (entdecken) und „to identify“ (identifizieren) zusammen. Für den zweiten Part ist „The Echo Nest“ verantwortlich.

Viele sprechen hierbei von einem Superhirn, das im Zuge einer Doktorarbeit zweier MIT-Absolventen zur Analyse und Charakteristik von Songs durch Künstliche Intelligenz (KI) geboren wurde und nach Übernahme durch Spoitfy (2014) maßgeblich zum Aufstieg an die Spitze der Musik-Streamingdienste beigetragen hat.
Der Markanteil der „grünen Welle“ wird auf etwa 36 Prozent beziffert. Auch, weil die App schon innerhalb weniger Wochen weiß, ob sein User lieber auf feinstes 128er BPM-Elektro oder RAP-Lines von Nimo oder Jamule abfährt, die sich Ende April beim digitalen Red Bull Soundclash gebattelt hatten.

Taste Profil: Sind Emotionen zu Songs messbar?

Der Spotify-Algorithmus zerlegt jeden Track in dutzende Parameter. Von der Geschwindigkeit, Instrumente und Dauer bis zur Klangfarbe sowie Höhen und Tiefen. Und wo andere Anbieter aufhören, geht das Superhirn eben noch einen Schritt weiter, ließt in diversen Blogs, den sozialen Netzwerken und auf YouTube mit.
Der Effekt: Die Emotionen, die ihr mit einem Künstler und dessen Songs verbindet, fließen in das persönliche „Taste Profil“ mit ein. Auf Basis der Datenbergen bzw. den sich überschneidenden Profilen entsteht dann – ganz tinder-like – „Dein Mix der Woche“ (Discover Weekly) mit etwa 30 Songs. Wer sich nicht durch über vier Millionen Playlists scrollen will, nimmt dieses Feature allzu gerne an, aber lebt in der Gefahr, so manch aufstrebenden Newcomer oder Nischen-Genre zu verpassen.

An dieser Stelle raten wir zum Praxis-Test: Wie viel Prozent der Tracks eurer privaten stammen ursprünglich aus den algorithmischen Playlists? Wie oft streamt ihr gewissermaßen außerhalb der eigenen Komfortzone? Die Vermutung liegt nahe, dass letzteres im System von Spotify nur bedingt eingeplant ist. Auch die Messbarkeit von Gefühlen und Emotionen sind zu hinterfragen. Während die einen zu „Don’t let me Down“ (The Chainsmokers) vor der Konsole dadeln, steht es beim nächsten in der Workout-Playlist.

 

Quelle: https://www.basicthinking.de/blog/2020/07/22/spotify-algorithmus-funktionsweise/

Foto: Luca Lorenzelli | stock.adobe.com

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