Nachdem die Kritik am PRO-Verfahren der GEMA kein Ende nimmt und aufgrund dieses ungerechten Verfahrens von unwahrscheinlich vielen Urhebern immer wieder Klagen zu hören sind, haben wir in der letzten Ausgabe des MUSIKER MAGAZINS eine Matrix-Tabelle veröffentlicht, um zu zeigen, in welchem Missverhältnis die Einnahmeseite der GEMA zur Ausschüttung steht. Wir haben für dieses Beispiel konstante Größen gewählt, um die Entwicklung bzw. die Umverteilung von unten nach oben aufzuzeigen.
Seit 2008 gehört zur Ausschüttung auch der M-Punktwert mit dazu, wodurch sich die Zahlungen an Urheber entsprechend erhöhen, die Umverteilung bleibt aber im Verhältnis erhalten.
Diese sachliche Darstellung und berechtigte Kritik am PRO-Verfahren ist natürlich der GEMA nicht entgangen, und die GEMA Bezirksdirektion Berlin lud den DRMV am 16.04.2009 zu einem informellen Gespräch nach Berlin ein, an dem neben Vertretern der GEMA (Herr Norbert Timm, Herr Dr. Jürgen Brandhorst, Frau Silvia Moisig und Frau Bettina Müller) vom DRMV Ole Seelenmeyer und Karlheinz Osche teilnahmen.
Gleich zu Beginn des Gesprächs zeigte sich, dass an der Darstellung und den Zahlen des DRMV nichts auszusetzen war. Herr Dr. Brandhorst wartete aber mit einem eigenen Beispiel auf, um zu zeigen, wie das Solidaritätsprinzip der GEMA funktionieren soll und wie man von einer Ausschüttung der GEMA auch profitieren kann.
BEISPIEL:
Eine Band gibt 12 Konzerte in 12 Monaten und spielt pro Abend 15 eigene Songs. Die Band spielt in kleinen Clubs bis 200qm, die Konzerte kosten keinen Eintritt.
BERECHNUNG:
- Einnahmen GEMA – 12 Konzerte x 34,30 Euro= 411,60 Euro
- Ausschüttung
Berechnung mit der MKZ 12 und der Formel für das PRO-Verfahren
PRO-Faktor = MKZ x C x (1-P) + P
12 x 0,0154 x (1-0,3333) + 0,3333 = 0,4565
12 Aufführungen x 0,4565 = 5,4780 = 5 PRO-Aufführungen
BERECHNUNG FÜR U:
- 5 PRO-Aufführungen x 12 Anteile x 0,4562 (Punktwert U 2009) = 27,37 Euro
- 15 Songs x 27,37 Euro = 410,58 Euro
BERECHNUNG FÜR M:
- 5 PRO-Aufführungen x 12 Anteile x 0,4240 (Punkt wert M 2009) = 25,44 Euro
- 15 Songs x 25,44 Euro = 381,60 Euro
Ausschüttung U + M = 792,18 Euro
Wie man sieht, würden diese Urheber vom PRO-Verfahren durchaus gut profitieren, und bei einer Zahlung i. H. v. 411,60 Euro an die GEMA würden die Urheber eine Ausschüttung i.H.v. 792,18 Euro erhalten. Das wäre doch ein lukratives Geschäft?
Doch wo in der Praxis spielt eine Band mehrere Konzerte oder eine Tournee, die keinen Eintritt kosten? Noch unter der Voraus setzung, dass die Band die Tournee selbst veranstaltet! Und soll man der GEMA glauben, die jedes Konzert (auch von den Musikern, die ihre Konzerte selbst veranstalten) peinlichst genau abrechnet und in keinster Weise danach frägt, wie ein Konzert besucht war, dass sie an den Urheber mehr ausschüttet als sie vereinnahmt? Natürlich wird es den o.g. Fall in der Praxis geben, aber mit Sicherheit ist dies nicht die Regel, wie sich zeigen wird. Vielleicht spielt eine Band mal auf einer Party oder einem Jubiläum, wo das Konzert keinen Eintritt kostet. Aber wenn die Band die Konzerte selbst veranstaltet, dann hat sie zwar den Vorteil der GEMA-Ausschüttung i. H. v. 380,58 Euro, muss aber die Kosten für die Konzerte selbst tragen! Ob sich die Sache unter dem Strich immer noch rechnet, muss doch stark bezweifelt werden. Doch kommen wir auf dieses Beispiel später zurück!
Betrachten wir erst einmal einen Fall aus der täglichen Praxis. Im letzten Jahr hat die Gruppe Guru Guru, eine der ältesten deutschen Bands (sie gehören zu den Mitbegründern des Krautrock), ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einer ausgedehnten Tour von mehr als 70 Konzerten gefeiert. Gehen wir hier von den gleichen Voraussetzungen wie im Beispiel der GEMA aus und betrachten 12 Konzerte der Gruppe Guru Guru: Dies ist kein Beispiel, sondern Grundlage sind die tatsächlich gespielten Konzerte (z. B. in Leverkusen, Hamm oder Bonn usw.). Die Größe der Clubs betrug beim den Konzerten (insgesamt) durchschnittlich 350 qm, und der Eintrittspreis lag bei ungefähr 20,– Euro (manchmal auch höher) am Abend. Somit ergeben sich laut Tarif folgende Zahlungen an die GEMA (etwaige Vergütungen wie Pauschalverträge usw. bleiben wie im Beispiel der GEMA außen vor). Würde die Band die Konzerte selbst veranstalten, gäbe es ja auch keine Ermäßigung.
BERECHNUNG:
- Einnahmen GEMA – 12 Konzerte x 352,80 Euro = 4.233,60 Euro
- Ausschüttung
Berechnung mit der MKZ 12 und der Formel für das PRO-Verfahren
PRO-Faktor = MKZ x C x (1-P) + P
12 x 0,0154 x (1-0,3333) + 0,3333 = 0,4565
12 Aufführungen x 0,4565 = 5,4780 = 5 PROAufführungen
BERECHNUNG FÜR U:
- 5 PRO-Aufführungen x 12 Anteile x 0,4562 (Punktwert U 2009) = 27,37 Euro
- 15 Songs x 27,37 Euro = 410,58 Euro
BERECHNUNG FÜR M:
- 5 PRO-Aufführungen x 12 Anteile x 0,4240 (Punktwert M 2009) = 25,44 Euro
- 15 Songs x 25,44 Euro = 381,60 Euro
Ausschüttung U + M = 792,18 Euro
Für die Gruppe Guru Guru ergibt sich bei 12 Konzerten die gleiche MKZ wie im Beispiel der GEMA, und somit erhalten die Urheber die gleiche Ausschüttung wie die Band, bei der die Konzerte keinen Eintritt kosten. Da stellt sich doch erst einmal die Frage, wo bleibt denn hier die Gerechtigkeit? Und betrachtet man bei Guru Guru die Einnahmeseite der GEMA i. H. v. 4.233,60 Euro und sieht die Ausschüttung i. H. v. 792,18 Euro, dann stellt sich nicht die Frage nach Gerechtigkeit, sondern die Frage, ob hier ein absichtlicher Betrug vorliegt?
Oder soll es nach Meinung der GEMA so sein, das die Gruppe Guru Guru die Künstler finanziert, die bei ihren Konzerten keinen Eintritt verlangen? Oder sollen die Einnahmen der GEMA aus den Konzerten der Gruppe Guru Guru vielleicht in ganz andere Taschen fließen?
Unterstellt man, dass die Band selbst veranstalten würde, dann würde die Gruppe Guru Guru die GEMA mit 3.441,42 Euro finanzieren. Geld, das bei der GEMA im sog. „Goldenen Topf“ landet, aber nicht beim Urheber der selbstaufführenden Musiker! Selbstverständlich sind auch die Musiker von Guru Guru auf ihre Einnahmen aus Konzerten, CD-Verkäufen sowie natürlich auf die Tantiemen der GEMA angewiesen, denn diese Band lebt von ihren Einnahmen!
Kommen wir deshalb noch einmal auf das Beispiel der GEMA mit den 12 Konzerten zurück, die keinen Eintritt kosten. Wir haben uns die Frage gestellt: Wo können diese Konzerte denn stattfinden?
Wie gesagt, es gibt mal ein Jubiläum zu feiern, oder man spielt auf einem Stadtfest oder man tritt bei einem Umsonst & Draußen Festival auf. Alles Konzerte, die keinen Eintritt kosten. Doch seit ungefähr zehn Jahren, also seit der Einführung des PRO-Verfahrens, gibt es eine neue Veranstaltungsreihe, die sogenannten Kneipen-Festivals, auch Monkey-Jump genannt. Diese Veranstaltungen gibt es zwischenzeitlich in vielen Städten. An einem Abend treten in 20 bis 50 Clubs verschiedene Künstler und Bands auf und der Besucher kann frei auswählen, in welche Konzerte er reinhören möchte. Oft wird auch ein Shuttle-Service angeboten, damit der Besucher so viele Clubs wie möglich aufsuchen kann. Diese Konzerte kosten keinen Eintritt, und der Clubinhaber oder Veranstalter muss die Band über einen höheren Getränkeumsatz finanzieren. Natürlich wird an diesen Abenden oft darauf geachtet, dass eine Band auf der Bühne steht, die für die notwendige Stimmung sorgt, damit auch der Getränkeumsatz entsprechend ausfällt. Eine Combo aus dem Bereich Jazz oder Weltmusik wird wohl eher selten zu hören sein.
Bevorzugt werden Cover-Bands mit entsprechendem Hit-Repertoire und dem Darbieten von „Gassenhauern“, die man leicht mitsingen kann, um die Stimmung und somit auch den Getränkeumsatz entsprechend zu steigern. Geht man davon aus, dass einer dieser „Gassenhauer“ oder „Mitgröhler“ u. a. „Marmor, Stein und Eisen bricht“ ist, dann bekommt natürlich der Urheber dieses Songs die Ausschüttung der GEMA und nicht der aufführende Künstler. Somit ist ganz klar, wer den Vorteil aus dem PRO-Verfahren bei diesen Konzerten ohne Eintritt zieht. Bestimmt nicht der Musiker aus dem Amateurbereich, der froh ist, wenn er mal sein eigenes Programm aufführen kann und die Kosten für sein Konzert am Abend wieder einspielt. Dass aber eine Gruppe wie Guru Guru diese Urheber von „Gassenhauern“ finanzieren soll, zeigt, welche negativen Konsequenzen das PRO-Verfahren für viele Musiker und Urheber hat. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es bei diesen „Gassenhauern“ nicht wie im Beispiel bei der MKZ 12 bleibt, sondern hier die MKZ-Höchstzahl von 144 anzusetzen ist, dann kann sich jeder Amateurmusiker ganz leicht ausrechnen, an wen die Gelder in beträchtlicher Höhe, vielleicht sogar in Millionenhöhe, aus dem „Goldenen Topf“ fließen!
Wie sich bei dem Treffen mit der GEMA am 16.04. gezeigt hat, drehte sich das Gespräch den ganzen Nachmittag um die Frage, wie man das PRO-Verfahren durch ein gerechtes Ausschüttungsverfahren ersetzen kann. Dazu macht sich wohl auch die GEMA schon ihre Gedanken, denn dieser Aspekt war der Themen-Mittelpunkt des Meetings in Berlin.
Als Fazit bleibt: Das PRO-Verfahren muss schnellstmöglich abgeschafft werden! Sollten das PRO-Verfahren und die daraus entstehenden Ungerechtigkeiten in den Ausschüttungen (wie sich in der o.g. Darstellung zeigt) bestehen bleiben, dann bleiben den Urhebern nur zwei Möglichkeiten:
- entweder aus der GEMA auszutreten
- oder dafür einzutreten, dass eine weitere Urheberrechtsgesellschaft entsteht, in der eine solche ungerechte Abrechnungspraxis ausgeschlossen ist!
Text: Karlheinz Osche