Schon die Corona-Pandemie kostete in der britischen Musikindustrie Zehntausende Jobs. Der Brexit verschärfte die Lage. Eine Europa-Tour ist für viele Musiker nun teuer, kompliziert oder sogar unmöglich.
„Project Blackbird“ bei einem Gig im „Under the Bridge“, einem Konzertsaal unter dem Chelsea-Stadion: Etwa hundert Leute sind gekommen, vorne vor der Bühne wird getanzt, hinten im Raum gibt es für durstige Konzertbesucher ein Bier. „Project Blackbird“ war in diesem Jahr in Europa auf Tour. Papierkram? Jon Read, der Trompeter der Band, lacht. „Viel Papierkram, sehr viel, auch für die Zollabfertigung“, sagt er.
Der Musiker spricht ruhig, aber in ihm brodelt es. Der Brexit hat alles kompliziert gemacht. So muss unter anderem das gesamte Equipment für den Zoll aufgelistet werden. „Wir mussten jedes einzelne Instrument ausweisen – mit Gewicht, Ursprungsland, Wert“, erzählt Read. „Das Dokument ist ein Jahr gültig, aber wir können es nicht ändern. Das heißt, das nächste Mal, wenn wir auf den Kontinent fahren, müssen wir genau das gleiche Equipment mitnehmen. Wenn wir andere Dinge mitnehmen wollen, brauchen wir ein neues Zolldokument.“
Zehntausende Jobverluste in der Branche
Die Musikbranche hat es besonders hart getroffen. Laut UK Music, einer Dachorganisation der milliardenschweren britischen Musikindustrie, gingen in der Branche schon 2020 durch die Corona-Pandemie fast 70.000 Jobs verloren. Der Brexit kam dann noch obendrauf.
Ein doppelter Schlag: Das sei wie ein Auto- und ein Zugunfall zur gleichen Zeit gewesen, meint Horace Trubridge, der als Chef der Gewerkschaft Musicians‘ Union rund 32.000 Musikerinnen und Musiker vertritt. Er fasst das Jahr 2021 so zusammen: „Zunächst einmal ist uns klar geworden, dass wir für eine Reihe von EU-Ländern Visa oder Arbeitserlaubnisse oder beides brauchen würden.“
Hohe Hürden für jede Tour durch Europa
Hinzu kam ein Transportproblem für das Equipment. Denn inzwischen darf ein britischer Lkw nur noch an zwei Stationen in der EU be- oder entladen werden. Für eine Tour durch mehrere Länder funktioniert das nicht. Hinzu kommt der Aufwand mit den Zollerklärungen, die Zollgebühren für die Merchandisingartikel der Bands und vieles mehr. Für Trubridge ist das bis heute alles ein Alptraum.
Wie teuer das Touren in Europa geworden ist, weiß Jon Read vom „Project Blackbird“ aus eigener Erfahrung. „Im Hinblick auf die Reise, den Zollschein und die Versicherung kostet das schon fast 1000 Pfund, bevor man überhaupt das Haus verlassen hat. Man muss Extrakonzerte geben, um das Geld wieder einzuspielen.“ Er habe Glück, sagt er. Seine Band könne sich Auftritte in Europa noch leisten. Viele junge, aufstrebende Musiker könnten das nicht mehr.
Quelle: www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/brexit-folgen-musikindustrie-101.html
Text: Imke Köhler | Foto: belyaaa/stock.adobe.com