Wie in Lüneburg 1969 der Grundstein für den Deutschen Rock & Pop Preis gelegt wurde

Lüneburg, Totensonntag 1969

Während vielerorts die Kirchenglocken feierlich zur Besinnung riefen, füllte sich an jenem Herbstabend in der Aula der Pädagogischen Hochschule in Lüneburg ein Saal mit jungen Menschen, die Musik erleben wollten – Jazz, Blues, Skiffle und Pop. Acht Gruppen standen auf der Bühne, der Eintritt betrug drei D-Mark, der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Was nach außen wie eine harmlose Studentenkulturveranstaltung aussah, war in Wahrheit der Beginn einer Bewegung. Die Aufführung musste eigens vom Kulturamt genehmigt werden unter der Bedingung, dass das Publikum „sitzend zuhören“ würde – denn Tanzen war an einem Totensonntag verboten. Doch die Genehmigung kam, und das Konzert wurde zu einem Meilenstein: dem ersten „Jazz, Rock, Pop und Skiffle Festival“ in Lüneburg.

Von der Aula zur Bühne der Republik

Aus dieser Initiative wuchs ein Netzwerk von Musikerinnen, Musikern und Idealisten, die an eine freie, nicht-kommerzielle Musikkultur glaubten. In einer Zeit, in der Deutschland noch zwischen „ernster Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ unterschied, setzten diese Pioniere ein Zeichen: Musik als Ausdruck von Jugend, Gesellschaft und Individualität – jenseits ideologischer oder wirtschaftlicher Vorgaben.

In den 1970er und frühen 1980er Jahren wurde diese Idee organisatorisch verankert. Der neugegründete Deutsche Rock & Pop Musikerverband e.V. und später die Deutsche Popstiftung gaben der Bewegung eine feste Struktur. Sie tragen bis heute die Verantwortung für den Deutschen Rock & Pop Preis, der 2025 bereits zum 43. Mal in der Siegerlandhalle in Siegen vergeben wird.

Ein Preis als kulturelles Gedächtnis

Seit über vier Jahrzehnten ist der Deutsche Rock & Pop Preis eine Konstante im deutschen Musikleben. Jährlich kommen Hunderte Musikerinnen und Musiker, Nachwuchstalente, Jurymitglieder und Fachleute zusammen – unter der Schirmherrschaft des Siegener Bürgermeisters Steffen Mues und des Präsidenten des Deutschen Musikrats Prof. Martin Maria Krüger.

Zahlreiche Künstler erhielten dort ihre erste große Anerkennung – darunter PUR (1986) und viele weitere, die später bei namhaften Mayor Companies Schallplattenverträge unterzeichneten. Inzwischen sind rund 20.000 Presseartikel über den Preis erschienen – eine Chronik der Pop- und Rockgeschichte und zugleich ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung.

Mehr als eine Preisverleihung

Der Deutsche Rock & Pop Preis war nie ein glamouröses Industrie-Event, sondern ein Treffpunkt der freien Szene – offen für Jazz, Rock, Pop, Blues, Folk, Country, Hip-Hop und Singer-Songwriter. Dieses Prinzip der stilistischen Offenheit ist das eigentliche kulturelle Vermächtnis des Projekts.

Gegenwart und Ausblick

Heute, über fünfzig Jahre nach dem ersten Konzert 1969, gilt der Deutsche Rock & Pop Preis als festliches Highlight der unabhängigen Preisverleihung für Musiker in Deutschland. Ohne dauerhafte staatliche Förderung, getragen allein von Idealismus, ehrenamtlicher Arbeit und kultureller Leidenschaft, prägt er bis heute Generationen von Musikerinnen und Musikern.

In einer schnelllebigen Medienwelt erinnert er daran, dass wahre Kultur aus Beständigkeit entsteht – aus Menschen, die an ihre Idee glauben, auch wenn die Welt anderes verlangt.

So steht der Deutsche Rock & Pop Preis heute nicht nur für musikalische Vielfalt, sondern auch für den Mut, Kunst und Kultur selbst in die Hand zu nehmen.

Und vielleicht ist das die schönste Pointe dieser Geschichte: Dass aus einem kleinen „Jazz, Rock, Pop und Skiffle Festival“ an einem Totensonntag 1969 ein lebendiges Kapitel deutscher Musikgeschichte wurde.

Ole Seelenmeyer

Veröffentlicht von

Der Account der Online-Redaktion von Musiker Online, dem Musiker Magazin und dem DRMV.

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