Ein Musikstreaming-Abo kostet rund zehn Euro im Monat. Dafür gibt es ziemlich viel Musik. Doch wie die Einnahmen von den Plattformen verteilt werden, ist den meisten Hörern vermutlich kaum bekannt. Eine neue Studie nennt Zahlen – und bringt Licht ins Dunkel.
Musikstreamer, allen voran Spotify, haben unseren Musikkonsum grundlegend verändert. Die Möglichkeit, rund 90 Millionen Songs auf Abruf auch unterwegs hören zu können, bietet dem einzelnen Verbraucher eine ungeahnte Freiheit. Gleichzeitig haben die Streamingdienste die Musikindustrie umgekrempelt. Der Anteil des in der deutschen Musikindustrie durch Streaming erwirtschafteten Umsatzes könnte im Jahr 2024 bei über zwei Milliarden Euro liegen – was laut Prognosen einem Anteil am Gesamtumsatz von geschätzt 84 Prozent des Gesamtumsatzes entspräche. Streaming wird also seine Rolle als dominierende Einnahmequelle ausbauen.
Verständlich also, dass es um die Aufteilung der Einnahmen zunehmende Verteilungskämpfe geben wird. Das Abonnement eines Streamers kostet rund 10 Euro im Monat, die wichtigsten Anbieter sind neben Spotify die Plattformen von Amazon Music, Apple Music und Deezer. Was von diesen 10 Euro bei den Plattformen verbleibt und welcher Anteil verteilt wird, ist natürlich von fundamentaler Bedeutung für das Funktionieren des Musikmarkts.
Die Verwertungsgesellschaft GEMA, die in Deutschland die Rechte von nach eigenen Angaben 85.000 Mitgliedern vertritt, dazu zählen Komponisten, Texter (genannt „Textdichter“) und Musikverlage, hat eine Studie in Auftrag gegeben, die aufdröseln sollte, wo wie viel Geld landet. Die Ergebnisse sind aufschlussreich – die GEMA als Vertreterin der Interessen der Urheber, also derjenigen Künstler, die Songs überhaupt erst kreativ erschaffen, weiß natürlich um die Brisanz des Verteilungsschlüssels. Die Zahlen wurden für die GEMA von dem Beratungsunternehmen Goldmedia berechnet.
Denn ausgehend von einem Abo zum Monatspreis von 9,99 Euro sind es nach der Aufschlüsselung nur 15 Prozent der Nettoeinnahmen von 8,09 Euro (1,90 Euro müssen für die Umsatzsteuer abgezogen werden), die für die Vergütung von Urheberrechten ausgezahlt werden, das sind 1,21 Euro. Ein höherer Anteil wird für die Vergütung der Leistungsschutzrechte ausgezahlt – an Musiklabels und Interpreten geht demnach ein Anteil von 4,45 Euro (entspricht 55 Prozent der Gesamtrechnung). Bei der jeweiligen Plattform verbleiben rund 30 Prozent des Nettoumsatzes, das entspricht 2,43 Euro vom Monatsabopreis in Höhe von 9,99 Euro.
Die GEMA kritisiert entsprechend die ungleiche Verteilung der Ausschüttung an Empfänger von Zahlungen aus dem Leistungsschutzrecht (also die Interpreten und die sie vertretenden Musiklabels) und die Empfänger von Urheberrechten (die Komponisten und Texter vor allem). Aber auch die Kreativen als Gruppe, also die Interpreten und die Urheber zusammen, bekommen laut den Berechnungen weniger Geld von einem Abo als die anderen Beteiligten.
Demnach kommen die „Musikschaffenden“ auf einen Anteil am Nettoumsatz von 22,4 Prozent (1,80 Euro bei einem Monatsabo zu 9,99 Euro), die jeweilige Plattform auf die bereits genannten 30 Prozent und die Musiklabels auf den größten Anteil von 42,4 Prozent. Musikverlage liegen bei nur 5,3 Prozent. „Der Songwriter wird nur minimal am Streaming seiner Musik, von der er der Urheber ist, finanziell beteiligt“, zitiert dazu die Studie die Komponistin Helienne Lindvall: „Für das Geld, das ein Songwriter früher aus dem Verkauf von 1.000 Platten bekommen hat, muss sein Song heute mehrere Millionen mal gestreamt werden.“
„Ungerecht, unfair und unmoralisch“
Björn Ulvaeus, das eine „B“ von Abba, der sich seit Langem für Urheberrechte einsetzt, formuliert es so: „Ich habe es immer als ungerecht, unfair und offen gesagt unmoralisch empfunden, dass die Person, die am Anfang des Prozesses steht, der Songwriter oder Komponist, eine so untergeordnete Rolle spielt, wenn es um Rechte und Vergütung geht.“ Die GEMA verweist darauf, dass Urheberrechte an einem Song und Leistungsschutzrechte an einer Musikaufnahme bei Radiosendungen gleich vergütet werden – und sieht hier einen Ansatz zur Reform.
Neben der Frage, ob Streaming als Geschäftsmodell überhaupt langfristig tragfähig ist – jedenfalls zu den bisherigen Preisen für Abos – geht es der GEMA also vor allem um die Frage, ob die Einnahmen „gerecht“ verteilt werden. Die GEMA-Mitglieder geben jedenfalls an, dass sie mehrheitlich (zu 89 Prozent) nicht mit den Vergütungen aus dem Streaming zufrieden sind. Zwar ist es durchaus so, dass viele Musiker und Komponisten große Chancen im Streaming sehen und ihre Einnahmen in den vergangenen Jahren aus dieser Quelle gewachsen sind – aber noch sehen sie Defizite in der Verteilung.
Tatsächlich ist der Anteil der Menschen, die fürs Musikhören Geld zahlen, in Deutschland zurückgegangen. Laut GEMA zahlte bis Mitte der Neunziger etwa die Hälfte der Deutschen – heute sind es demnach nur noch 29 Prozent, inklusive aller zahlenden Abokunden von Streamingdiensten. Dass manche Plattformen auch werbefinanzierte Gratiszugänge anbieten und mit YouTube ein weitgehend kostenloser Musikanbieter einflussreich ist, hat damit zu tun.
Gleichzeitig steigt die Zahl der verfügbaren Titel, was bei nahezu gleichbleibenden Abopreisen zu einem Rückgang des Umsatzes „pro Stream“ geführt hat. Der Umsatz, den eine Plattform mit 1.000 gestreamten Songs macht, soll von 10,58 Euro (im Jahr 2016) auf 8,12 (im Jahr 2021) gefallen sein. Die Studie beruft sich auf Spotify-Daten, nach denen 99 Prozent der von Spotify erfassten „Musikschaffenden“ nur maximal 5.000 Dollar im Jahr über diese Plattform ausgeschüttet bekommen. Spotify hat seinerseits im vergangenen März darauf verwiesen, im vergangenen Jahr sieben Milliarden Dollar an die Musikindustrie ausgezahlt zu haben.
Für die GEMA bleibt dennoch zu viel Intransparenz. „Wenn Streaming-Plattformen die Marktplätze der Zukunft sind, müssen die Marktregeln für alle transparent sein“, sagt der Vorstandschef der Verwertungsgesellschaft, Harald Heker. Damit verweist er auch auf die zunehmend wichtigeren Playlists, die von vielen Nutzern der Plattformen gehört werden. Welche Lieder von welchen Künstlern dort verfügbar sind, ist für die Verteilung der Einnahmen entscheidend – ihre Auswahl aber nicht eindeutig. Zudem werde „ältere, kommerziell erfolgreiche Musik von den Plattformen begünstigt – neue Musik oder auch Nischen hätten das Nachsehen.
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