Das PRO-VERFAHREN, eine Odyssee

Inhalt:

  • Die falschen Prämissen in den Gutachten
  • Die Berechnungsfehler der Gutachter bei der Beweisführung
  • Die Abwälzung der Verantwortung von den GEMA-Verantwortlichen auf das Patentamt, die Abwälzung der Verantwortung des Patentamts auf die „Fachleute“
  • Die resultierende Hinfälligkeit der Einführung des PRO-Verfahrens aufgrund der Fehleinschätzungen der Gutachter
  • Die gravierenden Verzerrungen im Verhältnis Ausschüttung/GEMA-Inkasso und die teilweise gigantischen Subventionen einzelner Bereiche bei U-Veranstaltungen
  • Die Entmündigung des Souveräns und die eventuellen zukünftigen Gefahren für alle Mitglieder

DAS PRO-VERFAHREN, eine Odyssee

1998 wurde ohne Mitgliederbeschluss vom GEMA-Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats das PRO-Verfahren vorgestellt und eingeführt. In der Folgezeit wurde dieses Verfahren von den GEMA-Verantwortlichen immer mit der Bezeichnung „verbessertes Hochrechnungsverfahren“ etikettiert, obwohl gerade der Umstand der so genannten „Verbesserung“ von einer großen Anzahl GEMA-Mitglieder stark angezweifelt wird. Von den Verfechtern des PRO-Verfahrens ist die Bezeichnung „verbessertes Hochrechnungsverfahren“ natürlich taktisch raffiniert gewählt worden, denn nur ein Narr könnte etwas gegen eine „Verbesserung“ einzuwenden haben!
Doch falls sich herausstellen sollte, dass das PRO-Verfahren – von falschen Voraussetzungen ausgehend – gar keine tatsächliche Verbesserung beinhaltet, sondern zu weiteren eklatanten Verzerrungen führen würde, wer hätte dann wen zum Narren gehalten?

DIE PRÄMISSEN

Für das Gutachten zur Ermittlung der Aufführungsziffern in Live-U-Musik-Veranstaltungen wurde als Experte der Statistik-Universitäts-Prof. Dr. Arminger bestellt, der wahrscheinlich auf seinem Fachgebiet eine Koryphäe darstellt, auf dem Gebiet der Live-U-Musik-Landschaft jedoch ein absoluter Laie ist, völlig abhängig von den ihm erteilten Grundinformationen. Sollten diese Grundinformationen nun fehlerhaft und in wichtigen Aspekten unvollständig sein, so hätte dies zwangsläufig zur Folge, dass auch die Resultate seines Gutachtens falsch sein würden. Falls dem Gutachter nur eine Vorauswahl von Informationen zur Verfügung gestellt worden wäre, die eine gewisse erstrebte Tendenz bestätigen, bestünde somit die Gefahr einer realitätsfremden Verzerrung der Gutachter-Schlussfolgerungen.

Prof. Dr. Arminger baut sein Erklärungsmodell auf zwei schablonenhafte Prototypen von Komponisten auf:

Typ A, der Werke komponiert hat, die zum Standardrepertoire gehören, das zu allen Jahrszeiten und in regional verschiedenen Veranstaltungen regelmäßig gespielt wird,

und

Typ B, der als Komponist und ausübender Künstler ausschließlich seine eigenen Werke spielt, die sonst auch von keinen anderen Interpreten aufgeführt werden.

Andere, in der Realität der Musiklandschaft überwiegend verbreitete Mischtypen von Komponisten tauchen in seinem Gutachten überhaupt nicht auf.

Da ja nur ca. 1/7 aller Aufführungsprogramme erfasst werden, wurden im bisherigen Verfahren alle in Programmen gemeldeten Werksaufführungen mit Sieben multipliziert, was natürlich zu einer siebenfachen Begünstigung des Typs B führte, der ja nur einen Multiplikator von 1 verdient hätte. Da Prof. Arminger nun davon ausgeht, dass die U-Musik-Komponisten entweder alternativ dem Extrem-Typ A oder dem Extrem-Typ B, mit den jeweiligen typischen Charakteristika der regionalen und saisonalen Werksverbreitung, zuzuordnen sind, haben sich in seiner daraus folgenden Interpretation der Sachlage gravierende Fehleinschätzungen ergeben:

So ist aus der Tatsache, dass Werke eines Komponisten vorwiegend in einer Region zum Einsatz kommen, keineswegs zwangsläufig darauf zu schließen, dass es sich dann um einen selbstaufführenden Komponisten des Typs B handeln muss, dem unrechtmäßig zu viel ausgeschüttet werden würde. Das in der Musiklandschaft überaus verbreitete Phänomen des regionalen Hits wurde sträflich ignoriert! So ist es ja im Live-Aufführungsbereich weit verbreitet und fast die Regel, dass z. B. ausschließlich in Bayern ein „Alpenhit“, oder im Norden ein „Waterkant-Hit“ zahlreiche Aufführungen erlebt, obwohl vielleicht nur etwa 1/10 der betreffenden Aufführungen in den Programmen erfasst wurden.

Das gleiche gilt für saisonale Hits, wie z. B. Karnevals-Schlager und Weihnachts-Hits. Zu jenen Zeiten steigt eben der Musikkonsum um ein Beträchtliches im Vergleich zu den anderen Monaten. Und es ist wiederum durchaus möglich dass so ein saisonaler Hit in dieser Ballungszeit in der Gesamtheit mehr Aufführungen erfährt und auch noch in weniger als 1/7 der Programme erfasst wird, als ein Standardtitel, der im Zeitraum eines ganzen Jahres in der gesamten Republik gespielt wird.

Ausschlaggebend zur Verrechnung sollten daher allein die festgestellten Aufführungszahlen sein, unabhängig von regionaler und saisonaler Flächendeckung in der Bundesrepublik übers gesamte Jahr. In der Tonträgerindustrie erhält man ja auch eine Goldene Schallplatte beim Erreichen einer Verkaufszahl von 250.000 Stück, unabhängig davon, ob diese Stückzahl in der gesamten Bundesrepublik oder nur in einer Region verkauft wurde, und unabhängig davon, ob diese Verkäufe in nur einer Woche oder gleichmäßig übers Jahr verteilt erfolgten.
Das statistische Hochrechnungsverfahren PRO beruht also auf der Prämisse, dass Aufführungen, die übers ganze Jahr im gesamten Erhebungsgebiet gleichmäßig verteilt erfolgt sind, höher zu bewerten sind als regionale und saisonale Hits. Diese Prämisse beruht aus o. g. Gründen jedoch auf einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten in der Musiklandschaft!
Auch die Schlussfolgerung, dass gerade die Standardtitel des Typs A bei den Programmen unterrepräsentiert sind bzw. waren, ist schon im Ansatz falsch. Die zur Ausfüllung der Programme verpflichteten Veranstalter werden doch bevorzugt jene Titel aufschreiben, die sie mühelos identifizieren können. Alle anderen werden sie jedoch gar nicht benennen können und deshalb gänzlich weggelassen. So wächst doch gerade wegen ihres hohen Wiedererkennungsgrades der Standardtitel deren Berücksichtigungs-Wahrscheinlichkeit in den Programmen. (Prof. Armingers Typ A erreicht also dadurch naturgemäß dieselbe Erfassungsquote von dem – im Gutachten Prof. Fahrmeirs eingeführten – Typ C mit der Erfassungsquote 1/7).

Um die Höherwertung von Werken des Typ-A-Komponisten zu rechtfertigen, liefern uns Prof. Arminger und auch sein Kollege Prof. Fahrmeir anhand von hypothetischen „Stichproben“ (S. 89 und S. 95/96 im GEMA-Jahrbuch 1998/99) eigentümliche Berechnungsbeispiele:

Im ersten Beispiel auf S. 89 geht Prof. Arminger von 500 Werkaufführungen des Komponisten-Typs A und von 100 Werkaufführungen des Komponisten-Typs B aus, die alle – mit dem ehemaligen Hochrechnungsfaktor 7 multipliziert – zusammen eine Gesamtaufführungszahl beider Werke in Höhe von 4.200 ergeben. Prof. Arminger möchte nun die „tatsächlichen Aufführungszahlen“ ermitteln, weil nach dem alten Verfahren Typ B siebenmal zu hoch gewertet wurde. Um das zu erreichen, subtrahiert Prof. Arminger die tatsächliche Werkaufführungszahl von Typ B (nämlich 100) von der anfangs von ihm errechneten Gesamtaufführungszahl beider Werke (4.200) und kommt so zu der Schlussfolgerung, dass die verbleibenden 4.100 Aufführungen allein Typ A zuerkannt werden müssten, was für diesen einen Werksmulitplikator von ca. 8 bedeuten würde.
Sein Gedankenfehler liegt jedoch darin, dass in der Gesamtaufführungszahl (4.200) noch 600 Aufführungen des Komponisten des Typs B enthalten sind, die jedoch in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden haben und die folglich zur Ermittlung der „tatsächlichen Aufführungszahl“ nicht ohne weiteres dem Komponisten des Typs A zugeschlagen werden können!
Der gleiche Fehler wird auch in seinem zweiten Rechenbeispiel und in dem Beispiel von dem zweiten Gutachter Prof. Fahrmeir begangen. Die daraus sich ergebende Schlussfolgerung, dass Typ A in großem Ausmaß unterschätzt wird, ist daher unzutreffend!
Das Absurde dieses angewandten Berechnungsganges lässt sich anhand einer weiteren hypothetischen „Stichprobe“ deutlich machen, bei der ebenfalls nach der Berechnungsmethode der beiden Statistik-Professoren vorgegangen wurde:

Nehmen wir nochmals das erste Beispiel von Prof. Arminger und vertauschen aber die Werkanteile der jeweiligen Komponistentypen bei dieser Stichprobe (was ja durchaus der Fall sein könnte), so erhalten wir in unserem Beispiel als Gesamtaufführungszahl beider Werke aufgrund des alten Hochrechnungsverfahrens:
Für Typ B: 500 Aufführungen x 7 = 3.500
Für Typ A: 100 Aufführungen x 7 = 700
Gesamt: 4.200 abgerechnete Aufführungen.

Nach der Rechenmethode Prof. Armingers und Prof. Fahrmeirs müsste nun zur Ermittlung der „tatsächlichen“ Werkaufführungszahl von Typ A die Aufführungszahl von Typ B (ohne Multiplikator 7) von der o. g. Gesamtaufführungszahl subtrahiert werden. Das würde im vorliegenden Beispiel eine Aufführungszahl für Typ A in Höhe von (4.200 ? 500) 3.700 erben, obwohl aber tatsächlich nur 1.200 Gesamtaufführungen beider Werke stattgefunden haben (500 tatsächliche Aufführungen von Typ B plus 100 x 7 Aufführungen von Typ A). Typ A hätte also nach diesem Verfahren sogar einen Anspruch auf einen Werksmultiplikator 37! Dieses Beispiel dokumentiert deutlich die Absurdität der dem PRO-Verfahren zugrunde liegenden zweifelhaften Beweisführung.

Die daraus abgeleitete Unterschätzung der Aufführungshäufigkeiten des Standardrepertoires und die gefolgerte Notwendigkeit zur Verfahrenskorrektur des Hochrechnungsverfahrens mittels eines Gewichtungsverfahrens á la PRO beruht also zum Teil auf einer Fehldiagnose der Gegebenheiten.

Das so genannte PRO-Verfahren tellt somit also keine offensichtliche „Verbesserung“ dar und damit ist die GEMA-Verwaltung ? lt. Schreiben des Patentamtes v. 07.03.1998 ? auch nicht mehr angeblich verpflichtet, dieses Verfahren anzuwenden. Der GEMA-Vorstand und der Aufsichtsrat haben ja in der Vergangenheit die Verantwortung für die Einführung des PRO-Verfahrens immer auf das Patentamt abgewälzt, indem sie betont haben, dass sie angeblich zur Anwendung eines verbesserten Verfahrens auch ohne Mitgliederbeschluss verpflichtet wären. Das Patentamt hat aber im Schreiben vom 03.07.1998 unter 1.b) eingeräumt „dass es dem Patentamt aus eigener Kenntnis und mit eigenen Mitteln nicht möglich ist, die Qualität eines solchen Hochrechnungsverfahrens abschließend zu beurteilen. Hierzu ist die Aufsichtsbehörde vielmehr auf die gutachterliche Stellungnahme von auf diesem Gebiet tätigen Fachleuten angewiesen“.
Das Patentamt hat also damit wieder die Verantwortung zur Einführung des PRO-Verfahrens auf die Herren Statistik-Professoren abgewälzt, denen aber – wie oben gezeigt – auch durch Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Fachgebiet der Live-U-Aufführungen einige fundamentale, sachliche Fehler unterlaufen sind.
Damit ist die Einführung und Anwendung des PRO-Verfahrens hinfällig.

DIE AUSWIRKUNGEN

Aus den o. a. Beispielen und den Erfahrungen aus der Praxis ergibt sich jedoch zwingend, dass sowohl das PRO-Verfahren als auch das alte Hochrechnungsverfahren gravierende Schwächen haben, die nicht mehr länger hingenommen werden sollten. Denn setzt man die Ausschüttungsbeträge an die Mitglieder in Relation zum jeweiligen Inkasso, so wird sofort das ganze Ausmaß der zum Teil drastischen Verzerrungen deutlich, die sich nicht mehr mit der im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verankerten Verpflichtung der GEMA zur „angemessenen Vergütung“ vereinbaren lassen.

Die GEMA schüttet ja lt. Verteilungsplan für Aufführungen bis zu einem Inkasso von DM 1999,99 nach einem einheitlichen Punktwert aus, der im Jahr 1998 (Abre. Für das Gesch.jahr 1997) für U: DM 0,6079 und für U-M: DM 0,6947 betrug. Für das Jahr 1999 (Abre. Für das Geschäftsjahr 1998) war der U-Punktwert DM 0,6011, der U-M Punktwert DM 0,6226.
Für ein herkömmliches Werk der Tanz- und Popmusik ergab sich (lt. Verteilungsplan XI.1.) bei Anwendung des dortigen Verrechnungsschlüssels mit der Punktebewertung 12 folglich für das Geschäftsjahr 1997 für alle Beteiligten (12/12) eine Ausschüttung U+U-M in Höhe von DM 15,63 (0,6079 x 12 = 7,2948 plus 0,69947 x 12 = 8,3364).
Für das Geschäftsjahr 1998 ergab sich pro Werk für alle Beteiligten der Ausschüttungsbetrag U+U-M in Höhe von DM 14,68 (0,6011 x 12 = 7,2132 plus 0,6226 x 12 = 7,4712).

Um die folgenden Rechnungen zu vereinfachen, gehen wir von einem durchschnittlichen Ausschüttungsbetrag pro Werkaufführung der Pop-Musik für alle Beteiligten (12/12) U+U-M in Höhe von DM 15,- aus (d. h. von einem durchschnittlichen Punktewert U+U-M: DM 1,25 x 12).

Das ergibt für eine durchschnittliche Tanzveranstaltung, bei der ca. 35 Werke zur Aufführung gelangen ? unter Anwendung de alten Hochrechungsverfahrens (oder bei Anwendung des PRO-Verfahrens mit der Matrixkennzahl 59, d. h. dem PRO-Faktor 1,0026) – den durchschnittlichen Ausschüttungsbetrag an die Berechtigten pro Veranstaltung in Höhe von DM 525,- (35 x DM 15,-).

Erhält die GEMA ein Inkasso für eine Veranstaltung in Höhe von DM 789,-, so würde der sich ergebende Ausschüttungsbetrag – nach Abzug der GEMA-Kommission (23,4578 %) DM 186,- und der 10%igen Abgabe für kulturelle und soziale Zwecke DM 79,- – genau dem o. g. durchschnittlichen Ausschüttungsbetrag (DM 525,-) entsprechen.
Das bedeutet, dass Veranstaltungen unter einem GEMA-Inkasso in Höhe von DM 789,- von Veranstaltungen über einem GEMA-Inkasso von DM 789,- bis DM 1.999,99 mitunter erheblich subventioniert werden.
Bei den Billigtarifen mit einem GEMA-Inkasso von DM 35,- ergibt sich sogar eine fast obszöne, gigantische Subventionierung, die in keinem vernünftigen, gegenseitigen Verhältnis mehr steht:
Nach Abzug der GEMA-Kommission und des Abzugs für kulturelle u. soziale Zwecke würde sich bei Nettoeinzelverrechnung beim Billigtarif (Inkasso DM 35,-) ein Ausschüttungsbetrag an die Berechtigten in Höhe von DM 23,29 pro Veranstaltung für alle Werke ergeben. Dem steht der durchschnittliche Ausschüttungsbetrag von DM 525,- gegenüber, was einem faktischen Multiplikator von 22,5 in Relation zum Inkasso entspricht! Bei der Anwendung des PRO-Verfahrens kann es bei einer MKZ von 144 sogar zum bis ca. 2,2412-fachen dieses Multiplikators kommen. Das bedeutet, dass ein Komponist des Typs A bei den Billigtarifen über das 50,5fache der für diese Veranstaltung inkassierten Beträge erhalten kann und bei der letzten Abrechnung auch bereits erhalten hat! Einer Ausschüttung an die Begünstigten (12/12) in Höhe von DM 1.176,63 (525,- x 2,2412) steht in diesem Fall ein, in Relation zum tatsächlichen Inkasso zustehender Betrag von nur DM 23,29 gegenüber! Dieser 50,5fache überhöhte Ausschüttungsbetrag fließt auch noch zu 100% in die Wertung ein und ermöglicht dann (in der Wertungsgruppe I) sogar eine Gesamtendausschüttung in Höhe von über DM 2.350,-, sie somit das 101fache des dafür – im Verhältnis zum tatsächlichen Inkasso – zustehenden Betrags übersteigt! Und dazu kommen noch evtl. Wertungszuschläge für Evergreens und Standardwerke der Unterhaltungsmusik!
Allerdings erhält ein Berechtigter (12/12) bei den Billigtarifen unter Zugrundelegung einer MKZ 1 nur ca. 1/7 des obigen Multiplikators, nämlich die 3,55fache Subventionierung, was aber immer noch zu einer Ausschüttung in dem o. g. Fall von DM 82,63 führt. Daraus folgt, dass die Subventionierung der Billigtarife beim alten Hochrechnungsverfahren mit dem 22,5fachen und beim PRO-Verfahren mit dem bis zum über 50fachen des tatsächlichen Inkassos nicht mehr zumutbar ist und nicht im geringsten dem Postulat einer „angemessenen Vergütung“ entspricht.
Andererseits erhalten Berechtigte, deren Werke auf Veranstaltungen bis zu einem GEMA-Inkasso von DM 1.999,99 aufgeführt werden, nur etwa 1/3 der – ihnen bei einer Nettoeinzelverrechnung sonst zustehenden – Beträge unter Zugrundelegung des alten Berechnungsverfahrens oder der MKZ 59. Bei der Anwendung des PRO-Verfahrens mit einer MKZ 1 (d. h. dem PRO-Faktor 0,1574) erhalten diese Berechtigten sogar nur DM 82,63 bei einem Inkasso von DM 1.999,99 ausbezahlt!
Zieht man vom Inkasso-Betrag DM 1.999,99 die GEMA-Kommission und die Abgabe für kulturelle und soziale Zwecke ab, so erhält man einen Zuwendungsbetrag von DM 1.330,83. Die Berechtigten bei Veranstaltungen mit Inkasso bis DM 1.999,99 und mit einer MKZ 1 subventionieren also die Billigtarife mit dem über 16fachen ihres an ihren letztlich ausgeschütteten Einkommens (DM 1.330,83 : 82,63) ! Kommen bei den teuren Tarifen weniger als 35 Werke zur programmmäßig erfassten Aufführung, wie z. B. bei Jazz-Veranstaltungen und bei Programmen mit Rockmusik-Werken längerer Laufzeit und damit geringerer Werkaufführungs-Gesamtzahl, so erhöht sich diese Subventionierung noch um ein Vielfaches!

Das neue PRO-Verfahren führt also in den meisten Bereichen zu noch größeren Verzerrungen und Ungerechtigkeiten als das alte Verfahren, das aber ebenfalls unbefriedigend ist! Ein neues realitätsbezogenes Verfahren, das in engerer Korrelation zum Inkasso steht, ist deshalb dringend erforderlich!

NOCH EIN PAAR WORTE ZUR EINFÜHRUNG DES PRO-VERFAHRENS

Dass ein Hochrechnungsverfahren, das dermaßen stark in die Einkommensverteilung der Mitglieder eingreift, ohne Mitgliederbeschluss eingeführt wurde, ist schlicht unerträglich und nach Meinung vieler Rechtsexperten auch satzungswidrig.
Durch diese Bevormundung wurde den GEMA-Mitgliedern ihr Selbstbestimmungsrecht über essentielle Bereiche ihres Eigentums genommen und sie wurden in diesem Bereich vom treuhänderischen Verwalter quasi entmündigt! Wenn diese Vorgehensweise zur Regel wird, dann besteht die Gefahr, dass vor dem offiziellen GEMA-Verteilungsplan – über den die Mitglieder abstimmen dürfen – ein „verwaltungsinterner Verteilungsplan“ vorgeschaltet wird, in dem die zu verteilenden Gelder in entscheidendem Maße ohne direkte Einflussmöglichkeit der Mitglieder vorportioniert und kanalisiert werden. Unter dem generellen Oberbegriff „verbessertes Erfassungs- und Berechnungsverfahren“ könnten dann massive Eingriffe in die Verteilungssummen auch anderer Bereiche als dem U-Aufführungsbereich erfolgen!
Über unbedeutende Marginalien darf dann die Mitgliederversammlung abstimmen!
Ein Anzeichen für diese unheilvolle Tendenz ist bereits im Antrag 39 zur diesjährigen Jahresversammlung zu sehen, der die durch das PRO-Verfahren entstandenen Härtefall regeln soll:

Über die Versorgung der Verletzten und die Beseitigung der Schäden, die das PRO-Verfahren angerichtet hat, dürfen da die Mitglieder abstimmen, über das eigentliche Verfahren durften sie es jedoch nicht!

Die einzige Möglichkeit für Vorstand und Aufsichtsrat, aus diesem Dilemma des Vertrauensverlustes herauszukommen, das durch die Bevormundung der Mitglieder entstanden ist, besteht in der sofortigen Absetzung des PRO-Verfahrens und der Erarbeitung eines neuen Verfahrens unter Beteiligung und mit Beschlussfassung der Mitglieder!

Text: Jörg Evers

Veröffentlicht von

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